Mittwoch, 11. Februar 2015

Yakov Kreizberg - das letzte Konzert


Im Januar 2011 besuchte ich in Freiburg ein Konzert des SWR-Sinfonieorchesters mit Yakov Kreizberg als Dirigent und Kirill Gestein als Solist.

Auf dem Programm standen Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 und Rachmaninows 2. Sinfonie. Ich saß in der 3. Reihe, also ziemlich nahe am Orchester, die Geiger und der Pianist waren nur wenige Meter entfernt und Yakov Kreizberg konnte ich etwas von der Seite sehen.







Es waren berufenere und fachkundigere Leute, Kritiker eben, die das Konzert beschrieben und es als herausragend bezeichneten. Ich möchte mich dem nur anschliessen und sagen, dass es ein aussergewöhnliches Erlebnis war, ein Konzert, das mir immer in Erinnerung bleiben wird und das verdanke ich ganz besonders Yakov Kreizberg. Schon wenige Wochen nach dem Konzert ist er an leider Krebs gestorben, was mich sehr betroffen machte.

Ich wusste damals nicht, dass er krank war, so schwer krank, dass er wohl nur noch dieses eine Konzert dirigieren konnte und dass es deswegen an ein Wunder grenzt, dass jemand, den Tod vor Augen, noch dirigieren kann.

Ich spürte jedoch von Anfang an, dass es ein ganz besonderer Konzertabend werden würde. Schon mit den ersten Takten war mir bewusst, dass es um mehr ging, als um Noten, um Beethoven oder Rachmaninow. Ich spürte, dass sich hier ein Mensch mit all seiner Kraft, seiner Phantasie, seinem musikalischen Intellekt und mit allem, was ihn als Menschen auszeichnete in dieses Konzert einbrachte. Dieser Wille, der sich hier in seinem Dirigieren zeigte, umspannte das ganze Orchester, den Solisten und strahlte auf das Publikum. Wie gebannt sah ich die Musizierenden, hörte die Musik, den Atem der Musiker, die Bogengeräusche, das Vibrieren der Saiten, die Hammerschläge des Flügels in einer Intensität, wie es zuvor noch nie erlebt hatte.

Wenn ich ihn ansah, so schräg von hinten, bewunderte ich seine Bewegungen, seinen stummen Dialog mit dem Orchester, und ich bemerkte, dass er unter dem weit geschnittenen schwarzen Sakko mit Stehkragen, einen kleinen Spitzbauch hatte. Nicht dass dies in irgendeiner Weise gestört hätte, aber es  passte überhaupt nicht zu seiner Statur und Erscheinung und ich dachte mir, dass irgend etwas nicht stimmen konnte. Eine Krankheit vielleicht? 

Irgendwie stellte ich einen Bezug zwischen dem Konzert und dem, was ich beobachtete her, und gewann immer mehr den Eindruck, dass es bei diesem Konzert um mehr ging, als nur einen Teil einer Tournee oder gar einen Kalendereintrag, eine Verpflichtung, die es zu erfüllen galt. Ich spürte förmlich, dass es für Yakov Kreizberg ein ganz besonderer Abend war, ein Vermächtnis, ein ausserordentliches Bekenntnis seiner Musik, seiner Berufung, seiner Leidenschaft, eine letzte grosse und wundervolle Anstrengung und Ausdruck seiner Seele, seines Lebens. 

Dass es sein letztes Konzert werden würde, dass der Tod so unmittelbar bevorstand, wusste ich damals noch nicht. Aber was ich sah und erleben durfte, war ein einzigartiges Konzert. Sein letztes Konzert und auch wie ein Wunder.

P.S. am 24.2.2015:

Es gab noch ein Konzert in Amsterdam im Februar 2011.

Mittwoch, 4. Februar 2015

Menahem Pressler - ein Glücksfall für Musikliebhaber


Neulich sah ich im Fernsehen einen Beitrag über diesen ganz besonderen Pianisten, der mit 90 Jahren eine Solokarriere begann, nachdem er über 55 Jahre mit dem weltberühmten Beaux Arts Trio in der ganzen Welt unterwegs war.

Lächelnd und voller Energie erzählte der sympathische Veteran des Flügels, der 1923 in Magdeburg geboren wurde,  aus seinem Leben, von seiner Vertreibung bzw. der Flucht aus Deutschland nach Israel, seiner musikalischen Ausbildung, seiner Heirat und seiner Auswanderung in die USA. Und von den vielen Konzertreisen.

Sein erstes Solokonzert bei uns fand 2014 statt und bei dieser Gelegenheit lud ihn Sir Simon Rattle ein, mit den Berliner Philharmonikern das Silvesterkonzert 2014 in Berlin zu spielen. Sein Kommentar dazu: "Ich bin ein Glückspilz!"

Leider habe ich die Sendung vom Silvesterkonzert verpasst, spielte er doch eines meiner Lieblingsstücke, das Klavierkonzert von W.A. Mozart  in A-Dur, KV 488.

Wie bei so vielen Interviews mit jüdischen Verfolgten des Nazi-Regimes fällt mir auch bei ihm auf, dass er nicht verbittert ist oder wirkt, obwohl er viele Mitglieder seiner Familie in KZs verloren hat und allen Grund dazu hätte. Es sind oft Menschen darunter, die nicht nur weiterlebten, sondern einen besonderen Weg des Neuanfangs gingen, egal in welcher Hinsicht. Das hat nicht mit Vergessen oder Verdrängen zu tun. Diese Menschen bejahen das Leben. Vielleicht, weil sie durch die schrecklichen Ereignisse erfahren mussten, wie kostbar es ist. Und viele kommen nach Deutschland zurück, als Besucher oder für länger. Dafür könne wir dankbar sein.




Hier ein lesenswerter Artikel: http://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2014/12/menahem-pressler-bei-den-berliner-philharmonikern.html, geschrieben von Maria Ossowski.






Montag, 26. Januar 2015

Kometenhaft schnell - 2004 BL86 saust vorbei


In astronomischen Dimensionen sehr nahe - nur 1,2 Mio km von der Erde entfernt - rast der Asteroid 2004 BL86 an uns vorbei. Ob er wiederkommt, der rd. 500-700 m dicke Himmelskörper?

Experten überlegen schon, ob und wie man grösseren Objekten, die nicht vorbeirasen wollen, sondern auf uns zielen, begegnen oder sie ablenken oder aufhalten kann. 

Einige Hollywood-Filme haben ja tolle Beispiele gezeigt, wie man mit solch einer kosmischen Bedrohung fertig werden kann. Anschliessend gratuliert dann der amerikanische Präsident, nachdem er vorher, im Angesicht der Gefahr, dem Volk zugerufen hatte: "God bless you all".

Ganz so einfach wird es wohl nicht, den immerhin hat der Klotz eine Geschwindigkeit von knapp 60.000 km/h. Da fällt mir grade nichts ein, was, von Menschenhand gemacht, so schnell sein kann. In jedem Fall muss gut gezielt werden. 

Bleibt zu hoffen, dass es so bald nicht eintritt. Bruce Willis und Milla Jovovich sollten auf jeden Fall im Expertenteam dabei sein, aber bitte keine deutschen Politiker oder EU-Kommissare, sonst wird alles zerredet oder an einer EU-Verordnung gebastelt. Die Linken sollten wir schon gar nicht befragen, sonst wird einer fatalen Willkommenskultur das Wort geredet. Wenn die CDU und die SPD beginnen, ernsthaft hierüber nachzudenken, kommt dann auch nur eine Kometensteuer heraus, die im Gegensatz zum Soli für immer gilt. Oder war es anders herum?







Dienstag, 20. Januar 2015

Zu nachtschlafender Zeit - von Nobelpreisträgern und vergriffenen Büchern


Kürzlich, es war schon nach Mitternacht, zappte ich durch die Kanäle und blieb bei einem ARD-Kanal namens ARD alpha hängen.

Der Titel der Sendung schien wie geschaffen für mich: "Wissenschaft für Schlaflose" (nächste Sendung in der Nacht von Donnerstag auf Freitag diese Woche). In Lindau am Bodensee, der Schwabe verschluckt bei der Nennung dieses Namens das "n", treffen sich Nobelpreisträger mit jungen Forschern und referieren über ihre Forschungsgebiete.

Das Thema war Mikrobiologie, Entwicklungsbiologie und Genetik, hochinteressant wie immer.  Etwas störend war, dass die Tonqualität ziemlich dürftig war und der Vortragende Englisch mit ziemlichem Akzent sprach. Ich verstand daher schon akustisch nicht alles und den Inhalt möchte ich jetzt nicht ausbreiten, weil ich zu wenig davon verstehe. Nur soviel, dass es um die Tatsache ging, wie sich eine Fliegenzelle wehrt, wenn man ihr Bakterien verabreicht. Das Verständnis dieser Prozesse, die auf genetischer Ebene gesteuert werden, ermöglicht offenbar Rückschlüsse auf das Verhalten der ersten mehrzelligen Organismen. 

Interessant war, dass der Referent, Herr Jules Hoffmann, Nobelpreisträger 2011 für Physiologie oder Medizin, Franzose (sein Englisch sei ihm daher verziehen), mehrere Male unsere Nobelpreisträgerin, Frau Dr. Christiane Nüsslein-Volhard (Nobelpreis 1995), erwähnte, die eine Molekülgruppe, die bei der Immunabwehr eine Rolle spielte, "Spaetzle" taufte. Nun, sie arbeitet ja in Tübingen.

Da ich nicht die ganze Nacht aufbleiben wollte und dem Vortrag auch akustisch nicht leicht zu folgen war, ging ich anderntags in eine Buchhandlung und wollte ein Buch von ihr kaufen (dtv 2004: Das Werden des Lebens). Enttäuscht musste ich feststellen, dass das Buch vergriffen ist. Und das ist der Skandal.

Jetzt haben wir eine Spitzenforscherin im Land und bringen es nicht fertig, ein Buch von ihr neu aufzulegen. Wahrscheinlich ist es eher in englisch, französisch oder chinesisch erhältlich. Da bauen wir Riesenautos (SUVs usw.), die kaum ein Mensch wirklich braucht, und sind nicht bereit, Bücher zu drucken. 

Wer sich dafür interessiert, hier ein Link nach Lindau: http://www.lindau-nobel.org

Mittwoch, 14. Januar 2015

Die Schule der Kritik


Ein sehr lesenswerter Beitrag von Eva Quistorp, erschienen im "Perlentaucher".

"Es war die weltweite und millionenfache Welle der Hoffnung auf ein Ende des Terrors, ein Ende des Hasses, auf ein friedliches weltweites Zusammenleben, auf ein Europa der Presse- und Satirefreiheit als Grundlage der Demokratien. Doch die wenigen Überlebenden des Massakers gegen die Charlie Hebdo-Journalisten - eine ganze Zeitungsredaktion ist ermordet worden! - erinnerten bei kurzen Interviews daran, dass es nicht um Pressefreiheit allgemein geht, sondern um die Verteidigung der Laizität, um das Recht auf Islamkritik und Religionskritik.

Das hören nicht alle Experten der Integrationsforschung, nicht alle Politiker gern. Das wurde auch von Moderatoren schnell weggeklickt und sofort beantwortet mit "bloß kein Amalgam, keine Vermischung von Kritik an islamistischem Terror und Kritik am Islam". Diese Sprüche dienen wie die seit Jahren in Deutschland kursierende Sprechformel "Das hat nichts mit dem Islam zu tun" als Beruhigungsmittel für die muslimischen Wähler und Vereine, aber auch für die Mehrheit der Bevölkerung.

Aber auch der Islam darf nicht mit "Respekt" eingemauert werden: Wieso sollen in Europa und in Deutschland für den Islam andere Standards gelten als für die katholische oder protestantische Kirche? Der Islam in seiner heutigen vorherrschenden Verfassung, seine Vereinsvertreter, sein Religionsunterricht, seine Jugendsozialarbeit, seine Geschlechter- und Bildungspolitik haben ebenso demokratische Kritik verdient wie die christlichen Kirchen. Diese Kritik darf ebenso sein wie die Kritik von Pussy Riot an der russisch-orthodoxen Kirche, wie die von Titanic am Papst, wie die der Feministinnen an einer patriarchalen Theologie und Bibelinterpretation. Dieses Recht wurde seit 1848 und seit der Französischen Revolution erkämpft, nicht zuletzt von Vordenkerinnen in Frankreich. 

Seitdem dürfen wir sagen, dass das Christentum etwas mit Dummheit, Unbildung, Vorurteilen, Antisemitismus, mit Missionierung und und Kolonisierung, mit Hexenverfolgungen,mit Inquisition zu tun hatte. So wie die "Deutschen Christen" etwas mit dem Christentum zu tun hatten, die Bekennende Kirche und die christlichen Märtyrer gegen den Naziterror aber auch."


Den ganzen Artikel lesen:

http://www.perlentaucher.de/essay/die-schule-der-kritik.html

Das ist eine klare Sprache, die hoffentlich viele vernehmen und sich in die Diskussion einbringen.

Es geht hier in erster Linie nicht um den Islam, sondern darum, wie wir leben wollen. Deswegen müssen wir uns damit auseinandersetzen. Und zwar jetzt.



Keine Antwort auf den Radikalismus?


Ein sehr lesenswerter Beitrag des muslimischen Psychologen und Jugendarbeiters Ahmad Mansour im schweizer Tagesanzeiger. Ich frage mich nur, warum diese Fragen so wenig diskutiert werden, warum die Presse dieses Thema nicht debattiert. 

Bleibt zu hoffen, das möglichst viele den Ernst der Lage begreifen. Im Moment werden doch nur hauptsächlich Feindbilder aufgebaut oder beschwichtigt.

http://www.tagesanzeiger.ch/region/bern/Die-Muslime-haben-keine-Antwort-auf-den-Radikalismus/story/26010017#clicked0.6935108467749563

Mittwoch, 7. Januar 2015

Terror: Paris ist überall


Lassen wir nicht zu, dass der Terror uns unsere Freiheit nimmt. Die Freiheit, 
anders zu leben, zu denken und handeln und dennoch die Würde der anderen respektierend.

Toleranz gegenüber der Intoleranz und dem Terror ist dumm und führt nur dazu, dass wir uns unserer Freiheit berauben lassen, Stück für Stück. Das ist schon in so vielen Fällen geschehen, man denke nur an Flugreisen -  die schikaneähnliche Abfertigung verdanken wir nur diesen Verbrechern - , Telefon- und Internetüber-wachung.

Dass sie den Namen eines Gottes im Munde führen, macht sie nicht besser, nur gefährlicher. Es wird Zeit, dass friedliche Muslime sich davon distanzieren und auch dagegen einschreiten. die Terroristen verurteilen und sie nicht tolerieren, unterstützen, finanzieren, einreisen lassen oder dulden bei sich oder anderswo.

Bleibt zu hoffen, dass extremistische Gruppen nicht weiter Kapital hieraus schlagen. Es geht um unsere Kultur dabei, nicht um die des Islams.