Posts mit dem Label Griechenland werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Griechenland werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 29. Juni 2013

Staatsschulden: Wie sich Kenneth Rogoff verrechnete

In einem Artikel der ZEIT vom 27.06.2013 "Verrechnet" (Autoren: Marc Brost, Mark Schieritz und Wolfgang Uchatius) kann man erfahren, dass Kenneth Rogoff, ehemaliger Chef-Volkswirt des IWF und jetziger Harvard-Professor, sich in seiner  2010 veröffentichten  Studie "Growth in a Time of Debt" - Wachstum in einer Zeit der Verschuldung verrechnet hat. In dieser Studie untersuchte er gemeinsam mit seiner Kollegin Carmen Reinhart, wie gefährlich Staatsschulden sind.

Während die einen behaupten, Staatsschulden seien extrem gefährlich und ein verschuldeter Staat müsse sparen, sagen andere, dass radikales Sparen die Situation nur verschlimmere und es genüge, die Schulden langsamer abzubauen. Da kam angesichts der EU-Stabilitätskrise (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien etc.) diese Studie gerade recht. Mit Hilfe einer Datenbank über 66 Länder errechneten die beiden Experten, dass Staatschulden nur bis zu einem gewissen Punkt verkraftbar seien. Bei einer Quote von 90 % des BIP wachse die Wirtschaft nicht mehr, sondern schrumpfe schlagartig.

Anfang 2010 betrug die Staatsverschuldung in Griechenland 120 %. Der Studie folgend muss also dringend gespart werden. Im März 2011 hielt Rogoff einen Vortrag in Berlin und ab da war die Zahl von 90 % in aller Munde. Führende Wirtschaftsexperten, Politiker, Ökonomen (Wolfgang Schäuble, Peer Steinbrück, Paul Ryan, Jens Weidmann, Christian Lindner, Tim Geithner, George Osborne, Jean-Claude Trichet, Olli Rehn usw.) und die Medien verbreiteten die Zahl in Windeseile, denn nun war klar, dass es eine Methode gab, die es den Handelnden erlaubte, das Risiko einer Staatsverschuldung exakt zu bewerten. Diskussion zwecklos.

Am 22. September 2011 erhielt Rogoff in Frankfurt den Deutsche Bank Prize in Financial Economics, Josef Ackermann hielt die Laudatio. Für die südeuropäischen Länder wurden rigirose Sparprogramme gefordert und umgesetzt.

Den Fehler in der Studie entdeckt hat der VWL-Student Thomas Herndon, USA, der eigentlich nur eine Seminararbeit über die Studie schreiben wollte. Er fand heraus, dass eine ganze Reihe der 66 Staaten mit ihren jeweiligen Daten zu Wachstum und Verschuldung nicht Eingang in die Berechnung fanden, weil vergessen worden war, diese Zeilen "anzuklicken" in der Excel-Tabelle, die die Forscher verwendeten. So waren zum Beispiel die Daten von Australien, Belgien, Dänemark, Kanada und Österreich nicht enthalten (Zeilen 45 -49 der Tabelle).

Die Konsequenz daraus: Die Zahl 90 verschwindet, es gibt keine Schwelle mehr. Zwar ist in Staaten mit hoher Verschuldung das Wachstum tatsächlich niedriger, aber der Unterschied ist zu gering, um eine eindeutige Aussage treffen zu können. Man muss den jeweiligen Einzelfall prüfen, Staatsschulden sind manchmal gefährlich, manchmal nicht.

Inzwischen, nach dem letzten Besuch des IWF in Griechenland, ist man schlauer. "Man habe die Wirkung der Sparmassnahmen falsch eingeschätzt, Griechenland erlebe eine viel tiefere Rezession als erwartet", so der IWF am 20.5.2013.

Und jetzt? Rogoff rechtfertigt sich, dass er bereits 2011 gesagt habe, dass die Sparpolitik in Südeuropa nicht durchzuhalten sei und dass er 2012 veröffentlicht hätte, dass es keine 90 %-Schwelle gebe und alles viel komplizierter sei.

Ob das für den IWF, die Troika und die EU auch gilt, diese Einsicht, muss bezweifelt werden. Thomas Herndon muss jedoch gedankt werden für seine Arbeit und seinen Mut, eine Studie eines weltberühmten Ökonomen anzuzweifeln.


Freitag, 10. Februar 2012

Griechenland - Pleite auf Raten

Bei einem Unternehmen, das insolvent geworden ist, und von dem man annimmt, dass es noch einen guten Kern besitzt (Name, Produkt, Qualifikation der Mitarbeiter etc.), versammeln sich die Gläubiger und beschliessen dann in der Regel, einen Neuanfang zu ermöglichen.

Wenn es um ein eine Volkswirtschaft oder besser um ein Volk geht wurden in der Vergangenheit ähnliche Massstäbe angelegt (Argentinien, Brasilien, Mexiko, sogar für Deutschland nach den beiden verlorenen Weltkriegen, z.B. Forderungsverzicht, Schuldenstreckung, Marshall-Plan).

Es ist keine Frage, dass sich in Griechenland einige Dinge grundlegend ändern müssen, wenn man quasi seit Beginn der Republik über die Verhältnisse gelebt hat. Aber die verschiedenen Rettungspakete, die nun schon seit Monaten diskutiert, modifiziert, nachgebessert etc. wurden, verkennen die Situation deswegen, weil sie davon ausgehen, dass der griechische Staat sich aus eigener Kraft befreien und einen Wachstumspfad beschreiten kann. Dies ist ein Irrtum und er ist den Teilnehmern mit Sicherheit bekannt (griechische Regierung, Troika etc.). Warum dann nicht gleich die Wahrheit sagen und einen rigorosen Neuanfang wagen. Das ist doch immer noch besser, als ein absehbares Ende auf Raten oder ein schleichender Niedergang. Die, die von der Krise profitiert oder die griechischen Systemschwächen gekannt haben, müssten die grössten Verzichtsbeiträge leisten. Alles andere wäre verkehrt.

Man kann nicht ein ganzes Volk in einen dauerhaften Ruin treiben sehen. Man kann es auch nicht dauerhaft zu einem Almosen- oder Kreditempfänger machen. Man muss auch Bedingungen stellen, aber wahre Unterstützung sieht anders aus (s.o.).